Tour de Suisse: Kilian Rüthemann

Kilian Rüthemann, "Tools", 2015, Leinöl, Pflanzenfett, Pigmente, je 57 x 20 cm, Swiss Art Awards 2015

Kilian Rüthemann, “Tools”, 2015, Leinöl, Pflanzenfett, Pigmente, je 57 x 20 cm, Swiss Art Awards 2015

„Jetzt müsste ich eigentlich malen“, konstatiert Kilian Rüthemann während des Interviews, als er auf die Tools – 60 cm lange und 20 kg schwere, aus Leinöl, Pflanzenfett und Pigment gefertigte Zylinder – und seine Präsentation an den Swiss Art Awards zu sprechen kommt. In der Ausstellung übt sich der Künstler allerdings nicht als Maler, sondern platziert die pastosen, fettigen und in kräftigen Farben leuchtenden Ölfarbstifte auf Sockeln, auf dem Boden, liegend oder stehend vor der unberührten weissen Messewand – als reines Potential zur Malerei.

Die Tools sind alles andere als handlich. Und dennoch versteht sie Rüthemann, wie es ihre Benennung bereits besagt, als Werkzeuge: „Ein Utensil, um Kunst zu machen“, dazu prädestiniert, eine künstlerische Geste auszuführen. In diesem Punkt unterscheiden sich die überdimensionierten Ölkreidestifte von früheren Arbeiten des Künstlers, in denen Baumaterialien wie Gips, Stahl oder Bitumen und auch Rohstoffe wie Salz oder Zucker ihrem eigentlichen Zweck entfremdet Verwendung fanden. In den bisherigen Werken Rüthemanns wurden die natürlichen Eigenschaften der Materialien formgebend eingesetzt, wobei sich der gestaltende Prozess als Spur im Resultat einschreibt. Die Tools hingegen sind „Künstlerbedarf“ in Übergrösse, dazu gedacht, kreativ genutzt zu werden, Malerei zu produzieren: „Ich habe immer irgendwelche Einschränkungen – sei es der Raum, sei es das Material. Ich habe immer nur das Material gebraucht und damit gemacht, was das Material kann und nicht mehr. Doch Malerei ist eigentlich, mehr zu machen, als das Material kann; es ist die Illusion.“

Eine mögliche Verwendung der Tools als Malinstrumente erprobte der Künstler unter anderem 2014 in der Galerie Stereo im polnischen Poznań. Hier fertigte er mit schwarzen Stiften Raumzeichnungen an: eine verschmierte, ausfransende, an der Unterkante der Wand verlaufende Linie und eine dick bemalte, bis zur Decke reichende viereckige Fläche. Anschliessend stellte er die abgenutzten Stummel auf Sockeln und auf dem Boden aus. Das Schwarz der Tools und die damit erzeugte Malerei knüpften sowohl formal wie auch inhaltlich an Arbeiten an, in denen Rüthemann die Beschaffenheit eines Raums mittels invasiver Gesten erforscht hatte. Allerdings erschienen dem Künstler die Anwendungsversuche, aus den Tools Malerei entstehen zu lassen, nicht vollauf befriedigend, weshalb er sich nun dafür entschied, diese in unbenutztem Zustand zu präsentieren: „Das, was ich mache, sind eigentlich auch nur immer Möglichkeiten aufzuzeigen, was man mit einem Material machen kann. Dass es gemacht ist, ist nur, weil ich es dann vermitteln kann. Den Prozess, die Tat, die Geste kann ich nur zeigen, wenn ich diese gemacht habe. Bei dieser Arbeit [Tools], habe ich das Gefühl, kann ich es auch zeigen, wenn es nicht gemacht ist.“ Und so unterlässt es Rüthemann an den Swiss Art Awards bewusst, eine Handlung zu vollziehen: „Ich lasse das Material, die Form danach schreien, dass etwas damit passiert.“ Präsentiert wird das Potential zur Handlung, wobei es das Ziel des Künstlers ist, dass nicht nur bei ihm der Wunsch zu malen erwacht, sondern sich diese haptische Lust auch beim Betrachter einstellt.

Interview: Nora Guggenbühler.

Veröffentlicht im Rahmen der Lehrveranstaltung Tour de Suisse. Kunst und ihre Institutionen in der Schweiz, eine Zusammenarbeit zwischen dem Kunsthistorischen Institut der Universität Zürich und dem Studienbereich Kunstgeschichte der Universität Fribourg, mit Unterstützung der Boner Stiftung für Kunst und Kultur.

 

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